Dr. med. vet. Richard Gerdemann
Dr. med. vet. Richard Gerdemann
Tierarzt

Die Zahngesundheit, ohne Zähne kein Pferd

Zahnpflege ist essentiell für die Gesundheit Ihres Pferdes. Regelmäßige Untersuchungen und Instandhaltung, wie das Raspeln sind besonders heute aus folgenden Gründen notwendig wie nie:

Wir haben das Futter der Pferde und deren Fressgewohnheiten durch die Domestikation und Stallhaltung grundlegend verändert.

Wir fordern mehr von unseren heranwachsenden Pferden, bei einem immer stärker abnehmenden Alter als jemals zuvor.

Wir wählen oft solche Tiere zur Zucht, die eine mangelhafte Zahnkonstitution vererben.

Die richtige Zahnpflege lohnt sich. Ihr Pferd fühlt sich wohler, verwertet sein Futter effizienter, entwickelt sich besser und hat damit die Voraussetzung für ein längeres Leben.

Das Pferdemaul:

Pferde entwickelten sich in weiten Graslandschaften zu Weidetieren und ihr Gebiss ist perfekt daran angepasst. Die Vorder- bzw. Schneidezähne (Incisivi), fungieren als Schneidewerkzeuge. Die Backenzähne, die sowohl die Prämolaren als auch die Molaren beinhalten, besitzen eine größere, flache und profilreiche Kauflächen, um das Futter vor dem Abschlucken zu einem Nahrungsbrei zu zermahlen. Wie der Mensch, so erhalten auch die Pferde vor dem permanenten Gebiss ein vorläufiges Milchgebiss. Die ersten Milchschneidezähne werden meist schon angelegt, bevor das Fohlen geboren wird. Die letzten Milchzähne brechen jedoch erst durch das Zahnfleisch, wenn das Fohlen ca. 8 Monate alt ist. Diese Zähne werden dann ab einem Alter von 2 ½ Jahren von den Bleibenden ersetzt. Um das 5. Lebensjahr haben die meisten Pferde das Gebiss gewechselt und somit ihr voll ausgeprägtes „Erwachsenen-Gebiss“. Das ausgewachsene Pferd besitzt 40 bleibende Zähne. Die Stute weist häufig nur 36-40 Zähne auf, da ihr öfter als dem Hengst die Canini fehlen.

 

Die folgenden Aufstellung zeigt das Durchschnittsalter, bei welchem die verschiedenen Zähne durchbrechen. Bei Zahnabnormitäten Ihres eigenen Tieres können Sie diese anhand der Tabellen feststellen.

Milchzähne:

  • Incisivi I (vorderer Schneidezahn): bei Geburt oder 1. Woche

  • Incisivi II (mittlerer Schneidezahn): 4-6 Wochen

  • Incisivi III (äußerer Schneidezahn): 6-9 Monate

  • Prämolares II, III & IV (vordere Backenzähne): bei Geburt oder bis 2. Woche

Bleibende Zähne:

  •  Incisivi I: 2½ Jahre

  • Incisivi II: 3½ Jahre

  • Incisivi III: 4½ Jahre

  • Canini (Eckzähne): 4 - 5 Jahre

  • Wolfszähne: 5 - 6 Monate

  • Prämolares II: 2½ Jahre

  • Prämolares III: 2½ Jahre

  • Prämolares IV: 3½ Jahre

  • Molares I (hintere Backenzähne): 9 - 12 Monate

  • Molares II (hintere Backenzähne): 2 Jahre

  • Molares III (hintere Backenzähne): 3½ - 4 Jahre

Häufige Zahnprobleme:

Pferde können an den vielfältigsten Zahnproblemen leiden. Die häufigsten von ihnen sind:

  • scharfe Spitzen und Kanten der Backenzähne, die Verletzungen an Backenschleimhaut und Zunge verursachen

  • zurückbleibende Zahnkappen (Reste von Milchzähnen auf den schon durchgebrochenen bleibenden Zähnen)

  • schmerzhafte Erosionen der Schleimhaut durch das „Einbeißen“ evtl. vorhandener Wolfszähne

  •  ausgebildete Haken an Ober- und Unterkiefer-Backenzähnen

  • lange und/oder scharfkantige Canini, die während des Kauvorgangs Schleimhaut und Zahnfleisch verletzen

  • verlorene und/oder abgebrochene Zähne

  • abnormale oder ungleichmäßige Kauflächen

  • übermäßig abgenützte Zähne

  • ungewöhnlich lange Zähne

  • Infektionen an Zähnen und/oder Zahnfleisch

  •  Fehlstellungen (können sowohl angeboren als auch unfallbedingt sein)

  • Zahnfleischerkrankungen

Erkennung von Zahnproblemen:

Pferde mit Zahnproblemen können die verschiedensten Symptome zeigen, wie Schmerzen, Behinderung des Kauaktes, oder sie zeigen überhaupt keine erkennbaren Symptome. Das hängt damit zusammen, dass sich manche Pferde besser an einen Misstand anpassen können als andere. Aus diesem Grund sind regelmäßige Zahnkontrollen von äußerster Wichtigkeit.

Anzeichen für Zahnerkrankungen sind:

  • Futterverlust aus dem Maul während des Kauens, Schwierigkeiten mit dem Kauvorgang oder übermäßiges Speicheln

  • Abmagerung des Pferdes

  • größere oder unverdaute Futterpartikel im Kot

  • Kopfschräghaltung oder –schütteln, Wickelkauen, übermäßiges Zungenspielen oder Widerstand beim Aufzäumen

  • Verhaltensänderungen, wie das Ziehen am Zügel, Ungehorsam bei Wende- oder Stoppbefehlen, sogar Buckeln

  • fauliger Geruch aus dem Maul und den Nüstern oder Blutspuren im Maul

  • nasaler Ausfluss oder Schwellung im Bereich des Gesichtes, des Kiefers oder der Maulschleimhaut

Die Inspektion des Maules sollte eine wichtige Rolle bei der jährlichen Routineuntersuchung durch den Tierarzt spielen. Nur die regelmäßige Zahnkontrolle hilft bei der präventiven Instandhaltung der Zähne. Daraus resultiert ein gesünderes und auch zufriedeneres Pferd.

Präventivmaßnahmen:

Der Vorgang des Zähneraspelns ist die häufigste tiermedizinische Maßnahme am Pferdezahn. Man entfernt scharfe, vorstehende Spitzen und Kanten und formt eine physiologisch plane Kaufläche. Im Weiteren werden sowohl Schneidezähne als auch Backenzähne in die gewünschte Länge gebracht.

Wenn die Pferde Weidegang haben, nehmen sie durch das ständige Fressen Schmutz und Steine auf. Dies, zusammen mit den Silikaten des Weidegrases, führt zur Abnutzung der Zähne. In der Box aufgestallte Pferde erfahren möglicherweise nicht dieselbe Abnutzung ihrer Zähne. Bei der Fütterung sollte deshalb auf genügend Raufutter geachtet  werden. Weiches Futter vermindert das Kauverhalten. Dadurch können die Zähne unphysiologisch lang und ungleichmäßig werden. Zähne älterer Pferde brechen aus und nutzen sich im Laufe ihres Lebens ab. 

Leider neigen Backenzähne auch unter Weidebedingungen zur Bildung von Haken und scharfen Kanten. Da der Unterkiefer der Pferde enger verläuft als der Oberkiefer, mahlt das Pferd die Futterbestandteile mit steten Seitwärtsbewegungen, scharfe Spitzen werden daher hauptsächlich an den Rändern der Zähne ausgebildet. Diese findet man hauptsächlich auf der Backenseite des Oberkiefers und auf der Zungenseite des Unterkiefers. Diese sollten durch Raspeln entfernt werden, um Verletzungen der Zunge und der Backenschleimhaut vorzubeugen.

Diese Maßnahmen sind vor Allem dann erforderlich, wenn bereits Zahnverluste aufgetreten sind, oder Fehlstellungen vorliegen und der Zahnschluss daher nicht mehr zusammen passt. Durch den Kontakt von unterem und oberem Zahn bleibt die Kaufläche gleichmäßig eben. Ist ein Backenzahn falsch ausgerichtet, so kann es zu einer Hakenbildung kommen. Falls dies nicht erkannt wird, läuft der Zahn Gefahr, in den weichen und schließlich auch den harten Gaumen einzuspießen. Kleine Haken können durch das Raspeln entfernt werden. Für längere wird gewöhnlich eine Zahnzange verwendet.

Wolfszähne:

Die Wolfszähne sind sehr klein und befinden sich vor den ersten Backenzähnen. Sie besitzen keine stark ausgeprägte Zahnwurzel, die sie im Unterkieferknochen verankern könnte. Nur selten kommen sie im Unterkiefer zur Ausprägung. Ein Pferd kann einen, zwei oder gar keinen Wolfszahn besitzen. Häufig verursachen Wolfszähne Probleme. In diesem Fall sollten sie von Ihrem Tierarzt entfernt werden, um Schmerzen oder störenden Interaktionen mit dem Trensengebiss vorzubeugen.

Der Altersfaktor:

Das Alter des Pferdes entscheidet über das Maß der Sorgfalt und die Häufigkeit von Zahnuntersuchungen.

Bedenken Sie folgende Punkte:

Pferde, die erstmalig ins Training gehen, besonders 2- und 3-Jährige, bedürfen einer umfassenden Zahnuntersuchung. Die Zähne sollten korrigiert werden um Kanten zu glätten und Zahnkappen zu entfernen. Zahnkappen sollten entfernt werden, wenn sie noch nicht abgestoßen wurden. Dies sollte vor Beginn des Trainings erfolgen, um Probleme bezüglich scharfer Kanten zu vermeiden.

Sogar Jährlinge werden gefunden, die unebene Stellen besitzen, die scharf genug sind, um die Schleimhaut von Zunge und Backe zu schädigen. Die Korrektur führt zu einer verbesserten Verwertung der Nahrung und erhöht das Wohlbefinden.

Pferde in einem Alter zwischen 2 und 5 Jahren sollten öfter der Zahnuntersuchung unterzogen werden als ältere Pferde. Die Milchzähne sind meist weicher als bleibende Zähne und entwickeln daher rascher scharfe Kannten. Darüber hinaus kommt es in dieser Zeit zu einer außergewöhnlich starken Reifung. 24 Zähne werden in dieser Zeit abgestoßen und ersetzt, während gleichzeitig 12 bis 16 Zähne angelegt werden. Pferde dieser Altersgruppe sollten zweimal im Jahr untersucht werden und die nötige Vorgehensweise gründlich geplant werden.

Sogar das beste Zahnpflege-Programm kann nicht alle Zahnprobleme junger Pferde lindern oder sogar lösen.

Reifere Pferde sollten mindestens einmal im Jahr einer umfassenden Zahnuntersuchung unterzogen werden, unabhängig von eventuellen Zahnproblemen.

Im mittleren Alter der Pferde ist es wichtig, die plane Kaufläche zu erhalten um eine bestimmte Höhe der Reibefläche auch nach dem 20.Lebensjahr sicherzustellen. Wenn Sie warten, bis das Pferd 20 Jahre alt ist, kann die Oberfläche bereits so stark oder ungleichmäßig abgenützt sein, dass durch die mangelnde Zahnlänge eine Futteraufnahme unmöglich wird.

Entwickeln Sie ein größeres Bewusstsein!

Wenn ein Pferd Verhaltensänderungen zeigt, sollten Zahnprobleme als mögliche Ursache bedacht werden.

Die Zähne sollten während der jährlichen Untersuchung nach Bedarf geraspelt und instand gehalten werden.

Wolfszähne sollten besonders bei Sportpferden in der Regel gezogen werden, um Interaktionen mit dem Trensengebiss und damit verbundene Schmerzen zu vermeiden.

Eine Sedation und lokale Schmerzausschaltung kann helfen, das Pferd zu beruhigen und fördert das Wohlbefinden des Pferdes beim Raspeln oder bei jeglichen anderen Zahnkorrekturen. Solche Medikamente dürfen lediglich von einem Tierarzt verabreicht werden.

Lockere Zähne sind in der Regel erkrankte Zähne, die besser zu entfernen sind. Dies verringert die Gefahr einer Infektion und anderer Probleme.

Hengstzähne haben in der Regel nur erwachsene Wallache und Hengste, aber manchmal kommen sie auch bei Stuten vor. Sie werden normalerweise gekürzt und rund geraspelt, um Interaktionen mit dem Trensengebiss zu vermeiden. Ebenfalls wird dadurch die Gefahr von Verletzungen für Pferd und Mensch reduziert.

Abhängig vom Zustand der Zähne kann auch eine mehrmalige Behandlung durch den Tierarzt erforderlich sein, um einen angemessenen Zustand der Zähne wiederherzustellen.

Es ist entscheidend, Zahnprobleme früh zu erkennen und zu behandeln. Ein zu langes Abwarten führt unweigerlich zur Verschlechterung des Zustandes und kann die Behandlung schwierig oder sogar unmöglich machen. Bei älteren Pferden sollte mindestens zweimal im Jahr das Gebiss kontrolliert werden.

Ernsthafte Zahnleiden:

Ernstere Situationen, wie Infektionen von Zahn und Zahnfleisch, extrem lange Haken an den Backenzähnen und verlorene oder gebrochene Zähne können ebenfalls entstehen. In diesen Fällen kann ein chirurgisches Eingreifen mit oder ohne Zahnextraktion durch den Tierarzt erforderlich werden. Wir erörtern in diesen Fällen gerne mit Ihnen das erforderliche weitere Vorgehen.