Dr. med. vet. Richard Gerdemann
Dr. med. vet. Richard Gerdemann
Tierarzt

Kolik

Unter Kolik ist keine eigenständige Erkrankung zu verstehen, sondern ein Sammelbegriff für Schmerzsymptome, deren Ursache überwiegend im Bauchraum lokalisiert ist.

Kolikschmerzen können bei jedem Pferd jederzeit auftreten und sehr verschiedene Ursachen haben. Auch die Symptome können von milde bis heftig sehr unterschiedlich sein. Da ohne Behandlung schnell ein lebensbedrohlicher Zustand eintreten kann, ist es wichtig, dass die Erkrankung frühzeitig erkannt wird und eine fachgerechte tierärztliche Untersuchung und Behandlung erfolgt.

Symptome

Abhängig von der Stärke der Schmerzen kann das Erscheinungsbild individuell sehr variieren. Charakteristische Symptome sind Scharren, Umschauen zum Bauch, Treten unter den Bauch, Wälzen, wiederholtes Hinlegen und Aufstehen, Flehmen, Schwitzen, Futterverweigerung, hundesitzige oder sägebockartige Stellung, Liegen auf dem Rücken, erhöhte Puls- und Atemfrequenz, geblähte Nüstern und gerötete Schleimhäute.

Darüberhinaus können auch milde Symptome wie allgemeine Mattigkeit, reduzierte Futteraufnahme und ungewohntes Hinlegen am Tag auf eine beginnende Kolikerkrankung hinweisen.

Dagegen zeigen Pferde bei einer schweren Kolik mit Darmeinklemmungen oder Drehungen zunächst heftigste Schmerzsymptome mit unkontrolliertem Hinschmeißen und starkem Schwitzen. Manchmal kann es im weiteren Verlauf dann zu einer scheinbaren „Besserung“ kommen. Zwar wirken die Pferde dann etwas ruhiger und trocknen ab, doch die hohe Pulsfrequenz bleibt bestehen. Hier ist höchste Eile und ein umgehender Transport in die Klinik geboten.

Kotabsatz im Verlauf einer Kolik ist nicht in jedem Fall ein Signal der Besserung, denn selbst schwer betroffenen Pferde können noch über Stunden kleine Mengen Kot absetzen.

Durchfall mit wässriger Kotkonsistenz ist beim Pferd wegen des starken Flüssigkeitsverlustes immer ein potentiell lebensbedrohlicher Zustand und erfordert umgehende intensivmedizinische Therapie!

Ursachen

Viele mögliche Ursachen können eine Kolik auslösen.

Allein durch die anatomischen Besonderheiten des Pferdedarmes kann es leicht zu dessen Verlagerung, Drehung oder Einklemmung kommen. Eine oft lebensbedrohliche Verlaufsform macht hier meistens eine chirurgische Therapie erforderlich.

Weiter kommen auch Funktionsstörungen des Darmes häufig vor. Reduzierte Peristaltik (Darmlähmung) kann dann zu Aufgasungen und Verstopfungen führen, während krankhaft erhöhte Peristaltik (spastische Kolik) ebenfalls Koliksymptome zur Folge hat.

Darmentzündungen verursachen lebensbedrohliche Durchfälle, häufig mit Kolikanzeichen. Sie können einerseits Folge von Infektionen sein, andererseits aber auch allein durch verschiedene Stressfaktoren ausgelöst werden.

Häufige Kolikursachen sind weiterhin Parasitosen (Magen-/Darmwürmer), Sandverstopfungen sowie Magenulzera.

Erste Maßnahmen

Eine erfolgreiche Kolikbehandlung hängt entscheidend von dem Faktor Zeit ab. Deshalb sollte bei einem Verdacht auf eine Kolikerkrankung unverzüglich der Tierarzt benachrichtigt werden. Für eine Beurteilung des Schweregrades sollten ihm bereits am Telefon Puls- und Atemfrequenz sowie die rektal gemessene Körpertemperatur mitgeteilt werden.

Bis zum Eintreffen des Tierarztes sollten folgende Maßnahmen durchgeführt werden:

  • Unterbindung von Futter- und Wasseraufnahme

  • Verbringung in eine große, gut eingestreute Spänebox

  • Verletzungsgefahr minimieren

  • Hinlegen und Wälzen des Pferdes erlauben

  • bei starker Schmerzsymptomatik mit heftigem Wälzen und unkontrollierbarem Niederschmeißen (hohe Verletzungsgefahr für Mensch und Pferd!) ggf. alternativ zur Box Verbringung in eine Reithalle

  • bei milden Koliksymptomen auch Führen an der Hand (nicht belasten!)

  • keine Medikamente verabreichen, ohne dass der Tierarzt dazu aufgefordert hat

  • Kot- und Urinabsatz beobachten

  • Hilfspersonen organisieren

  • Transportvorbereitungen treffen

Untersuchungen durch den Tierarzt

Zunächst benötigt der Tierarzt detaillierte Informationen zu Dauer und Art der Koliksymptome, Konsistenz und Häufigkeit des Kotabsatzes, Zeitpunkt der letzten Fütterung und Futterzusammenstellung, etwaigen Futterumstellungen, Besonderheiten von Training und Belastung sowie der medizinischen Vorgeschichte mit Impfungen, Entwurmungen, vorangegangenen Kolikerkrankungen, bei Stuten und Deckhengsten einen züchterischen Vorbericht mit Deckdatum, Trächtigkeitsstadium, Auffälligkeiten beim Deckakt, etc..

Im Rahmen einer ausführlichen klinischen Allgemeinuntersuchung wird zunächst die aktuelle Kreislaufsituation überprüft. Neben der Kontrolle von Herz- und Atemfrequenz, der Schleimhäute und des Hautturgors wird ggf. über eine Blutuntersuchung der Flüssigkeitshaushalt des Pferdes überprüft.

Die rektale Untersuchung liefert entscheidende Informationen über Lage, Konsistenz und Füllungszustand (Aufgasung, Verstopfung) der Darmanteile im hinteren Drittel der Bauchhöhle.

Über das Einbringen der Nasenschlundsonde in den Magen kann dessen Füllungszustand überprüft werden. Bei einer Magenüberladung wird mit Spülungen eine Entleerung erreicht. Auch bei Reflux, d.h. Rückstau von Gas oder Dünndarminhalt in den Magen aufgrund eines Passagehindernisses, sollte dieser über die Nasenschlundsonde abgehebert werden. Andernfalls kann es zu einer tödlich verlaufenden Magenruptur kommen.

Weitere spezielle Untersuchungen sind die Bauchhöhlenpunktion zur Beurteilung der Bauchhöhlenflüssigkeit sowie die Ultraschall- und Röntgenuntersuchung der Bauchhöhle, welche vorwiegend bei Fohlen Anwendung findet, da hier keine rektale Untersuchung möglich ist.

Behandlung

Nach ausführlicher Untersuchung wird der Tierarzt entscheiden, ob die Kolik konservativ durch Medikamente oder chirurgisch behandelt werden muss. Eine mögliche Klinikeinweisung zur intensiveren Überwachung und Behandlung oder Operation  kann auch erst im weiteren Verlauf nötig werden, wenn sich die Symptome trotz initialer medikamenteller Behandlung nicht bessern.

Durch Injektion von krampflösenden und schmerzstillenden Medikamenten kann dem Pferd jedoch in den meisten Fällen geholfen werden.

Eine Kreislaufstabilisierung kann über Flüssigkeitsersatz per Infusion erreicht werden. Abführmittel (Glaubersalz) und Paraffinöl werden bei Verstopfungskoliken per Nasenschlundsonde verabreicht.

In den folgenden 12 bis 24 Stunden sollte das Pferd intensiv überwacht werden, um bei Verschlechterung schnell reagieren zu können.

Treten bei nicht eindeutiger Diagnose nach einer Behandlung erneut Kolikschmerzen auf, ist eine Klinikeinweisung ratsam.

Ein entscheidender Faktor für eine erfolgreiche Kolikchirurgie ist die rechtzeitige Einlieferung!

Über Risiken, Kosten und die Prognose einer Kolik-Operation wird der Tierarzt in der Klinik individuell aufklären und beraten.

Vorbeugende Maßnahmen

Viele Koliken sind nicht vermeidbar, doch kann richtige Haltung und optimales Management in der Prävention von Kolikerkrankungen hilfreich sein:

  • art- und leistungsgerechte Futtermittel guter Qualität
  • ausreichendes Angebot an Raufutter und Wasser
  • zuerst Raufutter und frühestens nach 10 Minuten Kraftfutter anbieten
  • geregelter Tagesablauf bezüglich Fütterung und Training
  • Tagesration in mindestens drei Rationen aufteilen
  • tägliche Bewegung
  • regelmäßige Parasitenbekämpfung und Erfolgskontrolle durch Kotuntersuchungen
  • Futterumstellungen langsam durchführen
  • Aufnahme von Sand vermeiden
  • Stress vermeiden